Die Ergebnisse der am 18. April 2023 präsentierten Antisemitismus-Studie 2022 sind insgesamt besorgniserregend und verdeutlichen u.a. erneut, dass Verschwörungstheorien und Antisemitismus vor allem während der Coronapandemie einen hohen Anstieg erfuhren.
Innerhalb der Aufstockungsgruppe wurde jedoch keine Erhebung religiöser Bekenntnisse durchgeführt. Es kann daher keine Aussage darüber getroffen werden, wie viele der türkisch- und arabischsprachigen Menschen, die befragt wurden, sich selbst überhaupt als muslimisch identifizieren bzw. wie religiös sie tatsächlich sind.
Antisemitismus ist nicht islamisch-theologisch begründet, sondern steht v.a. in starkem Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt, der politisch vehement instrumentalisiert wird. Antisemitische Äußerungen werden daher überwiegend von als muslimisch gelesenen Menschen getätigt, die selbst über kein fundiertes Wissen von ihrer eigenen Religion haben und ihr Wissen vor allem aus den sozialen Medien extremistischer Gruppierungen und Influencern speisen. Als Mitglieder einer selbst angefeindeten und Rassismus ausgesetzten Gruppe sind sie besonders empfänglich für Narrative dieser Art. Auch die vorliegende Antisemitismusstudie bestätigt dies letztlich, schließlich geben 34% der Befragten an, muslimische Nachbarinnen als störend zu empfinden, bezüglich jüdischer Nachbarinnen sind es im Vergleich 11%. Der Kampf gegen Diskriminierung und eine verstärkte Anti-Rassismus-Arbeit in der Gesamtgesellschaft stellen daher wichtige Aspekte in der Bekämpfung von Antisemitismus dar.
Vor allem scheint es jedoch auch ein Mangel des österreichischen Bildungssystems zu sein, immerhin sind die Befragten der Aufstockungsguppe überwiegend in Österreich geboren, aufgewachsen und in die Schule gegangen. Die Thematisierung der Konflikte im Nahen Osten, die ja auch einen Teil der Biografien einer großen Anzahl österreichischer Schülerinnen ausmachen, muss daher an allen Schulformen erfolgen. Als „Botschafter für den Zusammenhalt“ sensibilisieren beispielsweise der Dozent des Instituts Islamische Religion und Imam Ramazan Demir und Rabbiner Schlomo Hofmeister an Schulen zu den Themen Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus.
Insgesamt ist die Studie jedenfalls eine Bestätigung dafür, dass wir als IGGÖ unsere bisherige Aufklärungsarbeit verstärkt weiterführen müssen.
Diese erfolgt einerseits im Rahmen des islamischen Religionsunterrichts, in dem eine islamisch-theologische Aufklärung und die Vermittlung der Wertschätzung für die Diversität in einer pluralen Gesellschaft sowie von Kenntnissen über andere Religionen und Weltanschauungen erfolgen. Antisemitismus ist beständiger Teil des Curriculums des Institut Islamische Religion der KPH Wien/Krems, an dem die Aus-, Fort- und Weiterbildung islamischer Religionslehrerinnen erfolgt und welches Veranstaltungsreihen wie „Gemeinsam gegen Antisemitismus“, „Begegnung mit dem Judentum“ (gemeinsam mit Vertreterinnen der IKG) und Besuche in der Synagoge/Stadttempel und dem jüdischen Museum anbietet.
Andererseits spielen die Förderung der Pluralismusfähigkeit sowie interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen eine wesentliche Rolle in der Fort- und Weiterbildung von Imamen. Antisemitismus in Predigten wird von der IGGÖ nicht toleriert, die Missio von Imamen, die mit antisemitischen Äußerungen und Haltungen auffallen, wurde in mehreren Fällen bereits entzogen. Häufig standen diese Äußerungen in Zusammenhang mit dem Israel-Palästina-Konflikt und der eigenen Biografie der jeweiligen Imame. Für die IGGÖ liegt die Lösung daher in der Etablierung einer Imame-Ausbildung auf österreichischem Boden, wofür sie jedoch auf die Unterstützung durch die Politik angewiesen ist.
Die IGGÖ selbst ist Teil des Nationalen Forums gegen Antisemitismus des Bundeskanzleramts und pflegt einen wertschätzenden und von gegenseitigem Respekt geprägten Umgang mit der jüdischen Gemeinschaft, mit der sie auch in der Plattform der Religionen und zahlreichen anderen Projekten zusammenarbeitet.
Im Mai 2023 veranstaltete sie beispielsweise eine gemeinsame Reise nach Krakow und zum ehem. KZ Ausschwitz mit Vertreterinnen der jüdischen Gemeinschaft sowie Imamen und islamischen Religionslehrer*innen. Präsident Vural tritt indes stets entschieden gegen antisemitische Haltungen und Äußerungen auf und fordert auch die muslimischen Communities, auch die Islamische Föderation immer wieder auf, Positionen der Vergangenheit zu hinterfragen, so beispielsweise auch bei der Fachtagung der Islamischen Föderation im Jahr 2022 („Muslime und die Islamischen Föderationen in Österreich im politischen Fokus“).