Wien (OTS/IGGÖ) – Während es nach dem erschütternden Tod eines Afroamerikaners infolge brutaler Polizeigewalt zu weltweiten Protesten gegen Rassismus und Diskriminierung kommt, ist die Reaktion der österreichischen Bundesregierung auf den jüngst veröffentlichten Länderbericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) höchst bedauerlich und wirft Fragen nach ihrem Verständnis von der vielzitierten „Rückkehr zur Normalität“ nach Abklingen der Corona-Krise auf.
Der Antidiskriminierungsausschuss des Europarats zeigt sich in seinem Bericht besorgt über den zunehmend fremden- und islamfeindlichen öffentlichen Diskurs in Österreich und übt scharfe Kritik an der Bundesregierung.
Anstatt jedoch auf die Expertise und die Empfehlungen des Gremiums einzugehen, beschränkt sich die Bundesregierung auf einen einzelnen Punkt aus dem 50 Seiten umfassenden Bericht und weist die damit zusammenhängende Bewertung der ExpertInnen zurück – nämlich die Frage nach dem Kopftuchverbot an österreichischen Volksschulen
, beanstandet IGGÖ-Präsident Vural.
Wenngleich sich die IGGÖ vehement gegen das verfrühte Tragen eines Kopftuchs bei Mädchen und jeden darauf abzielenden Zwang ausspricht, stellt die im Mai 2019 erfolgte Änderung des Schulunterrichtsgesetzes einen Verstoß gegen Rechtmäßigkeit und Neutralität dar. Dies bestätigt nun auch die Kommission, die betont, dass das „Herausgreifen einer bestimmten Gruppe“ sich nachteilig auf die Inklusion auswirken und zu einer intersektionellen Diskriminierung führen kann. Die Bundesregierung sei daher aufgefordert, das Gesetz zu überarbeiten, um sicherzustellen, dass es „den Neutralitätsgrundsatz respektiert, ein legitimes Ziel verfolgt und frei von jeglicher Form von Diskriminierung einer bestimmten Gruppe von SchülerInnen ist.“
Laut der ECRI zeigen Studien eindeutig, dass soziale Gräben seit der Novellierung des Islamgesetzes 2015 immer weiter „durch Gesetzesinitiativen verstärkt“ wurden. Die ExpertInnen unterstreichen dabei, dass die Unterstellung einer mangelnden Integration von MuslimInnen in Österreich und deren mutmaßliche Ablehnung „grundlegender österreichischer Werte“ zu einer feindlichen Haltung der gesamten muslimischen Gemeinschaft gegenüber geführt hat und sich nicht gegen den „politischen Islam” allein richtet. Gegen die undifferenzierte Verwendung dieses Begriffs haben sich WissenschaftlerInnen in der Vergangenheit bereits mehrfach ausgesprochen.
Das zunehmend rassistische Klima in Österreich führt dazu, dass MuslimInnen immer häufiger Opfer von Übergriffen werden. Die Zahl der dokumentierten Fälle von Hassrede und hassmotivierter Gewalt gegenüber MuslimInnen ist im Vergleich zum Vorjahr – insbesondere in Zeiten politischer Wahlkämpfe – um schockierende 74 Prozent gestiegen. Die ECRI fordert die politischen Führungskräfte daher auf, sich „unmissverständlich gegen jede rassistische Hassrede auszusprechen und auf die Äußerung solcher Hassrede mit einer eindeutigen Gegenbotschaft zu reagieren“.
Der von der ECRI aufgezeigte antimuslimische Rassismus ist wie jede andere Form von Rassismus, Diskriminierung und Hass gegenüber Mitmenschen eine zunehmende Gefahr für unsere Demokratie. Vor wenigen Tagen erst wurde in einem Bericht der Israelitischen Kultusgemeinde auch ein Anstieg antisemitischer Vorfälle konstatiert. Dabei waren es vor allem politische AkteurInnen nahe der rechtsextremistischen Szene und ihre AnhängerInnen, die in den vergangenen Jahren regelmäßig Inhalte fremdenfeindlicher und antisemitischer Natur veröffentlicht haben. Als KoalitionspartnerInnen wurden die polarisierenden und rassistischen Aussagen genau dieser PolitikerInnen von der nun abermalig in Regierungsverantwortung stehenden österreichischen Volkspartei viel zu lange toleriert.
Ich appelliere daher an politische EntscheidungsträgerInnen, sich eingehend mit den von der Kommission formulierten Vorschlägen zur Lösung der aufgezeigten Probleme auseinanderzusetzen und Maßnahmen zu ergreifen, um die rassistischen Tendenzen in unserem Land einzudämmen. Alle Vorfälle, bei denen Menschen öffentlich erniedrigt, beleidigt und diskriminiert werden, sei es aus rassistischen, antimuslimischen, antisemitischen, homophoben oder sexistischen Gründen, sind uneingeschränkt zu verurteilen
, resümiert Vural.
Die IGGÖ stellt darüber hinaus unmissverständlich klar, dass sie sich gemeinsam mit den anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften auch weiterhin für den Erhalt und den Schutz der Rechte der österreichischen MuslimInnen und die Wahrung ihrer Würde als Individuen und BürgerInnen dieses Landes einsetzen wird.