Antimuslimischer Rassismus in Österreich
Der antimuslimische Rassismus ist wie jede andere Form von Rassismus, Diskriminierung und Hass gegenüber Mitmenschen eine zunehmende Gefahr für unsere Demokratie und die Menschenrechte, denn er spaltet, grenzt Menschen aus, torpediert das Zusammenleben und befeuert radikale Gegenbewegungen. Um dem entgegenzuwirken, braucht es ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein.
Für viele Muslim*innen in Österreich ist antimuslimischer Rassismus eine all – tägliche Erfahrung geworden, sei es auf der Straße und in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Internet, in den Schulen und bei Behördengängen, am Arbeits- oder Wohnungsmarkt. Neben physischen und verbalen Angriffen und Beschimpfungen, Beschmierungen im öffentlichen Raum und an Moscheen sowie institutioneller Diskriminierung, konstatiert die IGGÖ einen rasanten Anstieg verschiedener Formen von menschenverachtenden und teilweise gewaltverherrlichenden Äußerungen im Internet. Fast die Hälfte der gemeldeten Vorfälle von Hass im Netz sind strafrechtlich relevant – dabei handelt es sich vorwiegend um den Verdacht der Verhetzung, Beleidigung und Verstößen gegen das Verbotsgesetz (nationalsozialistische Symbole und Anspielungen, Leugnung des Holocaust usw.). Die Dunkelziffer islam- und muslimfeindlicher Straftaten wird von Expert*innen weit höher als die offizielle Statistik geschätzt, da viele Straftaten gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden. Das wahre Ausmaß der tagtäglichen antimuslimischen Gewalt in Österreich kann daher noch nicht ausreichend erfasst werden.
Nichtsdestotrotz ist die Dokumentation ein wichtiger Schritt, dem Phänomen durch Sensibilisierungsmaßnahmen, die Evaluierung bestehender Gesetze und den Aufbau von Unterstützungsstrukturen für Opfer entgegenzuwirken, um ein respektvolles, demokratisches und friedliches Zusammenleben zu fördern. Besorgniserregend ist darüber hinaus, dass in Österreich von Seiten der verantwortlichen Spitzenpolitik bislang keine Signale und Handlungen zur Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus gesetzt wurden.
Zugang der IGGÖ
Als staatlich anerkannte islamische Religionsbehörde in Europa trägt die IGGÖ eine große Verantwortung, antimuslimischen Agitationen auf verschiedenen Ebenen zu begegnen. Diese erfordern unterschiedliche Ansätze und unter – schiedliche Konzepte. Der Kampf gegen rassistische Gesetze vor dem Verfassungsgerichtshof, aber auch Medienkampagnen, interkulturelle Workshops und die Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs sind zentrale Methoden der IGGÖ im Kampf gegen den antimuslimischen Rassismus. Beispiel dafür ist die erfolgreiche Beschwerde der IGGÖ gegen das sogenannte Kopftuchverbot vor dem Verfassungsgerichtshof. Gegen die im Mai 2019 erfolgte Änderung des Schulunterrichtsgesetzes, die Volksschülerinnen das „Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“ verbot, brachte die IGGÖ im Jänner 2020 Beschwerde ein. Die Beschwerde richtete sich gegen die Aushebelung der durch die Verfassung garantierten Grundrechte, der Glaubens-, Gewissens und Religionsfreiheit sowie der Gleichheit vor dem Gesetz.
Hass-Emails und Hasspostings und -kommentare auf den Social-Media-Kanälen der IGGÖ sowie Angriffe auf ihre Moscheen erfuhren in den vergangenen Jahren einen rasanten Anstieg. Da solche Übergriffe medial jedoch kaum auf – gegriffen werden, ist die IGGÖ bestrebt, diesem Missstand Öffentlichkeit zu verschaffen.
Ein wichtiges Projekt in diesem Zusammenhang war die „Wall of Solidarity“ im Rahmen der Aktionswoche der IGGÖ im Jahr 2020. Auf einer zehn Meter lan – gen Textilwand am Platz der Menschenrechte in Wien wurden an diesem Tag rund dreihundert gedruckte Zitate, allesamt Auszüge aus realen Beschimpfungen und Hassbotschaften, die Muslim*innen erreicht haben, der Öffentlichkeit präsentiert. Ziel dieser Aktion war es auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen. Im Austausch mit Passant*innen konnten auch durchaus heikle Themen angesprochen und Diskussionen über verschiedene historische und aktuelle Ereignisse geführt werden. Die Reaktionen der Passant*innen zeigten deutlich, wie gering das Bewusstsein für das Ausmaß und die Intensität des antimuslimischen Rassismus in Österreich ist. Auch diese Aktion war jedoch nicht frei von rassistischen Vorfällen. Einige Passant*innen reagierten mit weiteren rassistischen Beschimpfungen.
Die Forcierung der Vernetzung mit engagierten politischen Verantwortungsträger*innen und im Bereich der Anti-Rassismus-Arbeit tätigen Organisationen war ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der IGGÖ in den vergangenen Jahren. Durch die Verbreitung von Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten und Beratung für Betroffene und die konsequente Meldung antimuslimischer Vor – fälle bei den in diesem Bereich tätigen Dokumentationsstellen konnten dies – bezügliche Synergien geschaffen werden. Die Aufklärung über Handlungsstrategien gegen Rassismus und Diskriminierung sind mittlerweile auch fester Bestandteil des IGGÖ-Lehrgangs für Moscheepädagogik. Langfristig soll im Rahmen des Fortbildungsprogramms für Religionslehrer*innen und Funktionär*innen von Moscheegemeinden ein Trainingsangebot zu diesem Thema geschaffen werden.